Durch Mark und Sein

48 Nach Grimmschen grimmigen Märchen

Gratz und Grimm´sches Grimmiges in gräflichen Gemächern – Wenn sich eine Stiftung noch immer um die Mark kümmert und ihr Generalbevollmächtigter Kauffmann heißt, darf nicht ausgeschlossen werden, dass jede, jeder und jedes zuerst nur an Monetäres und Pekuniäres denkt. Ist dann noch die Rede von Sparkasse und Giro-Verband, denken doch wohl viele an den eigenen Geldbeutel, an den die beiden Institutionen durch ganz geschickte Methoden, heute Marketing und Kundenmotivation genannt, herankommen wollen.

Damit nun ihr (und unser) Geld nicht stiften geht, gründete der Deutsche Sparkassen- und Giro-Verband eine Stiftung, in der sich der Verband, und nun kommts: mit der er uns (und dank dem Kauffmann an der Spitze) einen besonderen ästhetischen Genuss schaffen will.

Und auch ziemlich erfolgreich ist.

Aber der Kauffmann, den ich meine, ist quasi Kastellan des in der Mark Brandenburg gelegenen Schlosses Neuhardenberg, und er ist sicher ein guter Kaufmann, schreibt sich aber mit Doppel-F, was in Friedenszeiten soviel wie „besonders gut, besonders frisch, äußerst gut“ bedeutet hat.

Während andere das erste Wochende im Frühling für große Feste nutzten, war im Schloss Neuhardenberg ein Saisonstart mit besonderen ästhetischen Genüssen angesagt.

Im Vorwort zur Einladung hatten sowohl Präsident Georg Fahrenschon und sein Generalbevollmächtigter Bernd Kauffmann kundgetan, was denn im Jahre 2014 im Schloss passieren solle. Es wird erinnert an 200 Jahre Anwesen Hardenberg, an den Beginn des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren, an Carl-Hans von Hardenberg, der vor 70 Jahren Mitwisser des Attentats auf Hitler war und sich der Verhaftung durch die Gestapo mit Selbstmord entzogen hat -

Anlässe genug, vor dem Hintergrund dieser Gedenktage der Frage nachzugehen, wie verschiedene Epochen und verschiedenen Gesellschaften mit der Ehrung von Zeitgenossen, Berühmtheiten und zuweilen zu Helden mutierten historischen oder fiktiven Persönlichkeiten umgehen. Bei diesem Blick zurück kann unsere Gegenwart nicht ausgeschlossen werden. Wie steht es also um die Balance zwischen Dekonstuktion von Heldenmythen und der Anerkennung von charismatischer Aura über die Zeitläufte hinaus? Diesseits und jenseits dieses Nachdenkens bietet die Stiftung ein dichtes und vielseitiges Programm an Lesungen, Debatten, Konzerten und Ausstellungen, das ihren regelmäßigen und gelegentlichen Gästen

die Qual der Wahl ein wenig vergrößern will.“ (Zitat: Gerd Kauffmann)

Ganz still und leise wurde die Saison dann im Kreise von ungefähr zweihundert Gästen aus Nah und Fern mit einer Vernissage eingeläutet. Wer aber zuvor einen gemäßen Startschuss erwartet hatte, war fehl auf seinem Platze – wie im Johannes-Prolog ging´s zu: Am Anfang stand das Wort. Das „stand“ ziemlich lange – bis dann ein korpulenter Herr in Jeans – es war der doppelt laudatierte Maler Harald Reiner Gratz – sich artig bedankte und uns eröffnete, dass wir nun doch noch seine Werke ansehen dürfen. Weil er sich mit vielen seiner Bilder den Märchen der Brüder Grimm zuwendet, sagen einige, diese wären „märchenhaft“. Ich sehe das ein bissel anders und kann den Besuch dieser archtektonisch interessant gestalteten Galerie wärmstens empfehlen, wenn man mal sehen will, dass uns ein Maler „ganz schön Märchen erzählen will“. HRG kann das.

Nach ausgiebigem Besuch der mark- und merk-würdigen Gratz-Galerie im Kavaliershaus des Schlosses, nach dem Gang ums Schloss und durch den von Peter Joseph Lenné und Hermann Fürst von Pückler gestalteten Landschaftspark reihte ich mich in die Schlange der Wartenden zur Vorlesung von Iris Berben und Thomas Thieme. Abwechselnd gelesen – also im Duo, ergänzt durch den Mann am Klavier, den Thieme Arthur, waren es Märchen der Brüder Grimm, die ich, so vorgetragen, gern wieder hörte. Nicht nur Grimm im allgemeinen, sondern die grimmigsten Märchen der Brüder. Sie, die Berben, mit liebenswertem Charme – er, der beste FAUST-Darsteller, den ich je erleben durfte, mit knarriger Eleganz, und beide zusammen  ließen es sich nicht nehmen, alle Gäste, die mit leuchtenden Augen zuhörten, mit geschickt genutzten Versprechern auch mal zum Lachen zu bringen.

Hätte es zum Schluß „Vorhänge“ gegeben, wären es sicher 5 geworden – soviel Applaus gab´s für Berben/Thieme/Thieme, und so wurden sie zu einer Zugabe gezwungen.

Es folgte ein Abschlußmärchen, und diese Vorlesung wurde zum Höhepunkt. Niemand bereute, jetzt den Fernseh-„TATORT“ zu verpassen;  es gab das Märchen, von einem der auszog, das Gruseln zu lernen. So vorgetragen, dass uns „die Haare zu Berge standen“.

Ganz zum Schluß habe ich darüber nachgedacht – über die Stiftung, das Schloss, die Brennerei, das Hotel, den Park, den Start in die Saison, den Generalbevollmächtigten, den Maler, den Professor, die Schauspieler, den Pianisten  - kurz: über das komplexe märchenhafte Erlebnis im Schloss Neuhardenberg…

Richtig. Niemand hat mir dort was davon gesagt – ich hab´s selbst erkannt: Wir sind ja im GRIMM-Jahr 2014. Ich bin stolz auf mich. HK

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