Vier Wochen die die Türkei verändern

ND_ Gezi-Park_2013

Vor einem Monat erklärte die Bundesregierung über ihren Menschenrechtsbeauftragten: “Ich verfolge die Entwicklung Istanbuls und und die Entwicklung anderer Städte in der Türkei mit Sorge. Die Meinungs- und Versammlungsfreiheit sind in einer Demokratie zentrale Grundrechte, die es zu wahren und zu schützen gibt. ” Und weiter wird zu Besonnenheit und Deeskalation aufgerufen, das ist das Gebot der Stunde. Der bekannte Wissenschaftler Cemal Burak Tansel Politikwissenschaftler an der Universität von Nottingham schätzt diesen Konflikt als “autoritären Neo-Liberalismus” der AKP ein. Und auch die EU meldet sich zu Wort in dem die Außenbeauftragte Cathrine Ashton am 2 Juni dieses Jahres die Unverhältnismäßigkeit der Polizeigewalt rügt. Was war vorgefallen. Ende Mai errichteten etwa 50 Umweltaktivisten aus Protest zu den beginnenden Baumfällarbeiten eine Zeltstadt im Zentrum Istanbuls. Die Polizei reagiert ausgesprochen heftig. Von Anfang an bestanden Zweifel ob für den Abriss und den geplanten Neubau überhaupt eine Baugenehmigung vorliegt. Menschen aus den verschiedenen Schichten wie Künstler und Geisteswissenschaftler erklärten sich solidarisch. In den letzten Tagen des Monats Mai griff die Polizei erneut den Platz an, auf dem sich immer mehr Menschen solidarisierten. Und trotzdem wurde die Spirale der Gewalt entfacht. Genau am letzten Tag, dem 31. Mai, kommt es zu schweren Übergriffen. Prominente Abgeordnete und Gewerkschafter trugen Verletzungen davon. Durch den Tränengaseinsatz erblindeten mehrere Menschen, eine Frau stirbt. Die ganze Stadt gerät in Aufruhr. Natürlich wurden die Proteste zu Protesten gegen die Regierung. Ob der Konflikt um den” Gezi-Park” eine Gelegenheit ist um den Widerstand gegen die stärkere Islamisierung des Landes zu bündeln, kann heute nicht festgestellt werden.

Verfolgt man die Nachrichten stellt man fest, dass bis tief in die Nacht zehntausende Menschen den Rücktritt von Ministerpräsident Tayyip Erdogan forderten, und dies nicht nur in Istanbul, längst auch in Ankara, Izmir, Mersin und diversen weiteren Orten und Städten des Landes. In der Hauptstadt und ihrer Ortsteile liefern sich Bewohner und die Polizei regelrechte Schlachten. Es werden Barrikaden errichtet und angesteckt. Wasserwerfer, Gasgranaten und Gummigeschosse sind die Antwort der Polizei und Sicherheitskräfte. Am 15. Juni gegen 20:00 Uhr wird der Park durch die Polizei gestürmt. Wie zu alten sozialistischen Zeiten folgte dem Räumtrupp die Saubermachkolonne und der Farbtopf. Nichts sollte an die Auseinandersetzung im Lande erinnern!

Mittlerweile fatal gefehlt. Die Gewalt ist kaum abgewandt. Im Park herrscht wieder Ruhe ein paar dutzend Männer und Frauen haben eine neue Form des Protestes gefunden. Dem “Duran Adam”, dem “Stehenden Mann”. Und jeden Abend um die gleiche Zeit trommeln Kinder und Erwachsene auf ihrem Kochgeschirr. Noch hat sich die Situation im Lande nicht beruhigt. “Mir ging es anfangs darum, die Natur zu schützen”, sagt die Schuh-Designerin Evrim zum Fernsehsender n-tv . “Aber mit jedem Tag der Polizeigewalt wurde mir mehr und mehr bewusst, wie sehr ich über die Verbote der Regierung, die unser Privatleben betrafen, verärgert war.” Erinnern wir uns an andere Orte, Städte und Parks in denen der Widerstand ähnlich begonnen hat. Sie stellt fest: “Wir kamen ohne Plan und ohne Anführer zusammen.” Um gleich im Anschluss zu versichern “Niemand will aufhören”. Und auch heute wollen die Proteste nicht enden. Es ist die Jugend und die Mittelschicht die sich zusammenfindet um ein Abrutschen des Staates in stärkere Bindungen an eine Person, wie in Putins Moskau , zu verhindern. Eine bemerkenswerte Entwicklung haben die Proteste am Sonnabend angenommen . Die Protestierer setzen sich für die Kurdische Minderheit ein!

Ihr Michael Reimann

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