
wir nehmen Bezug auf den offenen Brief des Landesvorsitzenden der Partei DIE LINKE Brandenburg Cristian Görke, vom 29. September 2014. Mehrere Arbeitsgemeinschaften des Landesverbandes und der Rosa Luxemburg Stiftung haben sich in mehrstündigen Beratungen mit den Ergebnissen der Landtagswahl 2014, in Brandenburg befasst, nach Ursachen der Wahlniederlage gesucht, erste mögliche Antworten gefunden und auch zugleich den Versuch unternommen, Schlussfolgerungen für die weitere Arbeit des Landesvorstandes und des Landesverbandes der Partei zu ziehen. Wir sind uns dabei sehr wohl bewusst, dass es sich hierbei nur um erste Erklärungsversuche und Überlegungen handeln kann. In der Anlage zu diesem Schreiben überreichen wir dazu die Beratungsprotokolle, die die geäußerte Auffassung der Gesprächsteilnehmer zusammenfassend widerspiegeln. Für einen entsprechenden Meinungsaustausch stehen wir jederzeit zur Verfügung.
Dr. Steffen Hultsch Michael Reimann Arbeitsgemeinschaften Die Linke Brandenburg Sprecher der Einzelmitglieder der europäischen Linken in Brandenburg
Erste Beratung am 16. September 2014
Was Tun ?
Vielleicht erscheint es im ersten Moment etwas anmaßend, zeitgleich mit den Brandenburger Parteispitzen und Fraktionären in Schönefeld auf einer selbst einberufenen „Basisberatung“ als „normale“ Parteimitglieder und Sympathisanten über die Ursachen des desaströsen Wahlausgangs für die linke zu den Brandenburger Landtagswahlen nach zu denken und aus der Sicht von unten Schlussfolgerungen zu ziehen.
Gerade ein per solchen Betrachtungsweise hat die Parteiführung Brandenburg kaum Bedeutung beigemessen und geäußerte kritische Töne überhört.
Was haben wir fast stereotypisch als Grund für die mehr als deftige Wahlniederlage zu hören bekommen?
Es handelt sich um den typischen Effekt einer Regierungsbeteiligung der Linken; alle erreichten Erfolge werden vom Wähler der SPD zugerechnet: die Wahlbeteiligung ist mehr als gering und die AfD hat unter unseren Wählern gefischt.
Also, so die Parteioberen, mehr oder weniger von außen wirkende Faktoren und von der Partei kaum beeinflussbar. Sicher hat das alles zum Wahlergebnis beigetragen, aber führt dies allein zu einem Verlust von 8,6 %?
Verkleisten wir uns nicht wieder selbst einen klaren Blick, wenn wir nicht die selbst gesetzten Ursachen erkennen, sie benennen und gerade daraus die entsprechenden Schlüsse ziehen?
Es ist schwer, aus der Vielzahl der Ursachen nur einige zu benennen. Unsere Beratung hat dennoch diesen Versuch unternommen, um vielleicht doch den einen oder anderen zum Nachdenken zu bewegen.
Was der linken vor Jahren mit der Hartz IV Debatte gelungen ist, die Frage der sozialen Gerechtigkeit tatsächlich als ein Kernthema zu behandeln wurde diesmal fast unter gebuttert. Im Ergebnis sind Arbeitslose, ALG II Empfänger und auch Rentner, die früher doch links gewählt haben der Wahl ferngeblieben.
Nicht zuletzt deshalb und weil man auf sie auch wenig hört haben wir den teilweisen Verlust der eigenen Basis in Kauf nehmen müssen.
Dazu beigetragen haben aus unserer Sicht auch die nicht immer durchdachten Personalentscheidung. War es wirklich richtig, erfahrene „Parteisoldaten“ ins abseits zu stellen oder sie mit fadenscheinigen Gründen gar zu verabschieden um einen gewissen „Jugendwahn“ zu folgen, der ab und an vor Ort einfach nicht verstanden wurde. Jugendliche Auffrischung ist sicher wichtig für die Partei, garantiert aber noch keinen Wahlerfolg, zumal wenn die Kandidaten im Wahlkreis kaum bekannt und dort auch nicht präsent waren. Konnten wir nicht im Voraus erkennen, dass aufgrund manchmal mangelnder Konsequenz und auch wankelmütig kalt gerade bei großen Sachthemen (Flughafen, Braunkohle, Polizei oder Bildungsreform), und sie Betroffenen Wähler weggelaufen könnten? Genau das ist auch geschehen.
Auf Versprechen, das hat die politische Praxis immer wieder bewiesen, sollte man nur eingehen, wenn man weiß, dass man sie halten kann. Auch dies ist uns nicht immer gelungen.
Kannte die Partei die wirklichen Probleme der Menschen oder ging es einigen nur darum, mit deklaratorischen Bekundungen in den Landtag einzuziehen?
In der heftigen Diskussion wurde deutlich, dass sich der Ursachenkatalog fast beliebig fortsetzen lässt, nicht ausreichend Kommunikation untereinander, Nichtbeachtung der Arbeitsergebnisse der Arbeitsgemeinschaften, die Defizite in der innerparteilichen Kultur, unzureichende Bildungsarbeit und, und… Aber es geht weiter. Gleich, ob Opposition oder Regierungspartei, es ist nicht nur Zeit zum intensiven Nachdenken, sondern vor allem Zeit zum Verändern.
Auch das Parteimitglied X hat konkrete Vorstellungen und brauchbare Ideen. Vielleicht sollten wir mehr darauf Wert legen.
2. Beratung 23.September 2014
Die Partei braucht neue Ideen, wir brauchen eine transparente Diskussion über die Entwicklung von neuen Strategien und dem Setzen von neuen Inhalten. Bisherige Inhalte müssen mit anderen Themen verbunden und neue Themen müssen in den Vordergrund gerückt werden.
Das Brandenburger Problem der Partei DIE LINKE
o Bündnis Politik
o Das Ausschlagen von Kooperationsangeboten zur Unterstützung der Einzelkandidaten und der Listenverbindung.
o Das Hinwegsetzen über langfristige Kooperationsbeziehungen und das Nichtnutzen von Kommunikationsangeboten (Sozialverbände,Gewerkschaften usw.)
o Das nicht ausreichende Berücksichtigen von Interessen von Kooperationspartner (Gewerkschaften Sozialverbänden und Bürgerinitiativen) und das Widerspiegeln von deren Politikangeboten. Dies vor allen Dingen im Zusammenhang mit dem Flughafen, dem Nachtflugverbot, dem Angebot für Polizisten, der Gleichstellung von Rentnerinnen und Rentnern aus dem Osten ( z.B. GrH ,ISOR), der Gleichstellung von Renten von ehemals staatsnahen, den Tagebaugegnern, usw und die nicht ausreichende Erklärung und Überzeugung derselben.
o Das undifferenzierte Übernehmen, vor allem in den Kommunen (Kreistagen und Stadtverordnetenversammlungen), von Verwaltungshandeln das zum Teil gegen Leitbild und Satzung verstößt.
o Das personelle Nichtreagieren auf drei Wahlniederlagen vor der Landtagswahl. Dadurch wird der Eindruck erweckt das ein Neuanfang, eine veränderte Wahlstrategie und auch Loyalität gegenüber den Wählerinnen und Wählern nicht im Fokus der Entscheider stand.
o Das undifferenzierte Umgehen der Parteitage mit Niederlagen. Damit wird der Eindruck erweckt das eine Kritik oder eine Verbesserung von Strategien oder die Kontrolle der Parteibeschlüsse nicht mehr ausreichend realisiert werden kann.
o Es fehlte ein kritischer Umgang an der Basis mit der Regierungsbeteiligung und den Kommunikationspannen z.B. die Trennung von Amt und Mandat, die schwierige Debatte zum Atomausstieg und zur Errichtung von Tagebauen, die erfolgte ausgrenzende Auseinandersetzung mit anders Denkenden Linken, vielmehr die Totalverweigerung der Debatte und damit die Ausgrenzung anderer Vorschläge und Visionen.
o Der nicht geführte Straßenwahlkampf (in den meisten Kreisen des Landes Brandenburg) (da wo ein intensiver Straßen Wahlkampf geführt worden sind die Ergebnisse auch nicht zu niederschmetternd)
o die völlige Überschätzung des bestehenden Wählerpotenzial, seit vier Wahlen.
o Das Verlassen von Wahlversprechen zum Beispiel BER und die schlechte Kommunikation wurde zum Problem.
o Die starke Intoleranz im Landesverband gegen anders denkende Linke und deren Organisationen
o Das nicht klare Bekenntnis zum Scheitern der Fusion zwischen WASG und der Partei Die linke- PDS und das Fehlen und Verweigern einer notwendigen Fehleranalyse.
o Die starke Fokussierung der Werbemittel auf eine Person.
o Die Gestaltung der Themenplakate
o Die unglückliche Hand bei der Formulierung von Slogans ( 100% sozial)
o Die völlig unzureichende Propaganda von Erfolgen in der Legislaturperiode
o Die intransparente Vergabe von Aufträgen innerhalb des Wahlkampfes
o die Führungsschwäche des Wahlkampfteams
o Die Aufstellen der der Listen
o Das Verzichten auf bekannte Persönlichkeiten zu Gunsten einer undifferenzierten oft schlecht ausgebildeten Jugend, beginnend mit dem Bundestagswahlkampf und stringent durchgezogen bis zum Landtagswahlkampf. (Es geht um junge Genossinnen und Genossen mit einem entsprechenden Ausbildungsprofil und Standing in der Bevölkerung)
o Der undifferenzierte Umgang mit der DDR Geschichte
o Das für die Basis nicht verarbeitete und im Umgang untereinander nicht geklärte Verhältnis der Landtagsabgeordneten im Zusammenhang mit ihrer DDR Biografie. Es ist unerträglich, dass am Anfang der Legislaturperiode eine Doppelmoral im Umgang mit Betroffenen entwickelt wurde.
o Die Besetzung der Enquetekommission und das Ergebnis der Debatte, und dessen Präsentation wären eine Möglichkeit gewesen die Basis in den Grundorganisationen und Kreisverbänden in einer breiten Diskussion mit zu beteiligen
o der Umgang mit anders denkenden Leistungsträgern zeigt die fehlende Bereitschaft zur Debatte und zur Auseinandersetzung und des solidarischen Miteinanders in der Brandenburger Linken.
o Das durch erpresserischen Umgang, Urkundenfälschung, Mobbing und unsolidarischen Verhalten vergiftete Klima in einigen Kreisorganisation.
Was fehlt gegenwärtig, um eine erfolgreiche Interessenvertretung zu organisieren?
o Politische Angebote, die uns vor allen von anderen Parteien unterscheiden. Nach der Veränderung der Parteienlandschaft und dem stärkeren Streit aller Parteien um die
o Mitte der Gesellschaft und damit einhergehende Übernahme linker Positionen, wird von uns eine neue Justierung unseres politischen Koordinatensystems gefordert.
o Ein klares Bekenntnis für eine wirtschaftliche Veränderung der Bundesrepublik Deutschland entsprechend des Grundgesetzartikels 14 und die damit einhergehende Verstaatlichung von wichtigen Wirtschaftsgebieten, wie
o führender deutscher Banken,
o dem Verkehrswesen, die Bahn- und Flugwesen und
o teile der Daseinsvorsorge , wie Krankenhäuser, Krankenkassen, Rehakliniken usw.
o Vereinfachung und Zusammenfassung der Arbeitsgesetzgebung ( verbot der Leiharbeit, gegen den Missbrauch von Werkverträgen und die Beschränkung von Befristungen).
o Klares Bekenntnis zur Europäischen Union und ihrem Wirtschaftsraum. Verlassen wir die Gedankenspiele zur Wiedereinführung der D-Mark. Es geht darum, eine Solidargemeinschaft aller Europäer auf den Weg zu bringen.
o Das eindeutige Bekennen zu demokratischen Bewegungen in Europa.
o Konsequentes Eintreten gegen Krieg. Das schlagartige Aufbauen einer Kampagne zur Sicherung des Friedens.
o Komplette Veränderung der Sozialgesetzgebung hin zu einem Öffentlichen Beschäftigungssektor, der bundesweit angeboten wird und eine echte Alternative für den heutigen Arbeitsmarkt darstellt.
o Umbau des Gesundheitswesens hin zur stabilen Grundversorgung für alle und damit einhergehende Kostensenkung.
o Angebote für Wahlvorschläge mit regionaler Verwurzelung und keinen, wie auch immer gearteten „Import“ auf die regionalen Listen für Kreistage, Landtage, Bundestag und das Europaparlament.
o Bei aller Aufarbeitung der Geschichte der DDR und der damit einhergehenden Würdigung der Leistungen der Arbeit der Menschen in der DDR ist zu überdenken, Genossinnen und Genossen mit schwer belastete Biographien, die ihre eigene Vergangenheit verdrängen, auf die Wählerlisten für Kreistage, Landtage, Bundestag und das europäische Parlament zu entsenden. Das hat mit der politischen Auseinandersetzung zu Wahlvorschlägen zu tun.
o Die Partei braucht Führung mit dem Nachweis von Führungskompetenz. Führung ist nicht das Vorgeben einer Linie, auf der man solange wie möglich beharrt. Führung ist ein ganzer Komplex von Aufgaben. In einer Partei mit demokratischem Grundsatz muss das kooperative Führungsmodell Maßstab sein.
o Die gegenwärtige absichtliche und ungeschickte Verschleppung von Kommunikation, Diskussion und Kritik sorgt für eine weitere Verhärtung der Grabenlinie. Es gibt keine ernsthaften Versuche, die Partei wieder zusammen zu führen.
Innerparteiliche Bildung
Eine wissenschaftliche Weltanschauung als Grundlage unseres Handelns erfordert eine stetige Aus- und Weiterbildung. Das beantworten von gesellschaftlichen Fragen mit populistischen Forderungen führt zu einer weiteren Isolierung der Partei. Gerade das Lernen der Jungen von den Alten, der Frauen und der Männer, der Wissenschaftler und der Arbeiter ist notwendiger denn je. Hierzu müssen Strukturen entwickelt werden, die eine innerparteiliche Qualifikation von jungen Menschen ermöglicht.
Die Vergabe von Stipendien und die damit einhergehende Möglichkeit, Auftragsstudenten an die Universitäten zu entsenden, ist notwendiger denn je. Die Bildung von Clustern, um geeignete Genossinnen und Genossen zu entwickeln, um die Aufgaben der Zukunft realisieren zu können, muss in den Vordergrund der strukturellen und programmatischen Überlegungen der Partei gestellt werden. Ringen wir um jeden Mitarbeiter in einer Behörde, ob Stadtverwaltung, Bundeswehr, Polizei, Verfassungsschutz oder die Ministerien der Länder und des Bundes. Hier entstehen die Zukunftsgaranten der Interessenvertretung unserer Wählerinnen und Wähler.
Nur gut ausgebildete, bescheidene, disziplinierte und teamfähige Genossinnen und Genossen sind in der Lage, die Zukunftsaufgaben zu lösen. Die innerparteiliche Bildung gehört auf den Prüfstand. Eine ständige Weiterbildung, ein ständiges Lernen an den Gegebenheiten unserer Regionen und Gesellschaft, ist notwendiger denn je. Die monatliche Auseinandersetzung mit solchen Themen wäre ein erster Anfang, flankiert von der Rosa Luxemburg Stiftung. Politik ist kein Feld von „Politikmanagement“.
Weitere Vorschläge zur Arbeit des Landesverbandes:
o Mitgliederaufgebot“ Lothar Bisky“ zur Neu und Wiedergewinnung von Mitgliedern in die Partei die Linke
o Initiative zur Mitgliedergewinnung (jeder Genosse wirbt ein neues Mitglied (im Jahr))
o Beschluss über die Betreuung von Neumitgliedern durch Wegbegleiter (über einen langen Zeitraum(Bürgen))
o Rückgewinnung von ehemaligen Mitgliedern der Partei im besonderen ehemalige WASG Mitgliedern Brandenburg
o Kontrollmechanismen in den Kreis, Landes und auf der Bundesebene der Partei zur Einhaltung der Beschlüsse der Partei, im besonderen Bezug auf innerparteiliche Demokratie und der Kultur des Streites.
o Stärkere Unterstützung der inhaltlichen Arbeit des Landesvorstandes und der Landesarbeitsgemeinschaften
o Landesweite Kampagne starten (zum Beispiel Befristung von Arbeitsverträgen)
o Diskussion der Arbeitsergebnisse der LAG`s im Landesvorstand (nicht am Ende einer Tagesordnung zum Beispiel- 16:00 Uhr bzw. 16:15 Uhr!)
o Kampagne ,dass nach Abschluss einer Lehre die Betriebe verpflichtet werden Jungfacharbeiter länger als ein Jahr zu beschäftigen (Forderung der Jugendkonferenz AGB)
Politik ist eine Kunst, die Kunst des Machbaren – und genau das ist der Ansatz für die Auswahl geeigneter Genossinnen und Genossen.