-Schon jetzt schwer vermissten Gesprächen mit ihm- Nachruf für Dr.Karl Pfannenschwarz

Wie viel können wir ertragen?  Nachruf zum Ableben von Dr. Karl Pfannenschwarz.

„Herrgott, Sie müssen zeigen, was der Kerl taugte, nicht, wo er zur Schule ging!“           (Marcel Reich-Ranicki)

Man kann es für die Tragik dieses mit vielen Talenten geschlagenen Mannes halten:

Da lebte  er eben noch in Dolgenbrodt in Brandenburg – ein Mensch, der sich als blutjunger Mann voller Lust und Lebensfreude in die Politik und die politischen Kämpfe seiner Zeit vergrub; einer, der das alles wirklich liebte und zum Leben brauchte. Doch gleichzeitig ein Mann, der als Junge tiefer in die Epoche des Nationalsozialismus hineinwuchs und sich verstrickte. Er kam zu Fuß und mit einer ihm eigenen  Art der Auseinandersetzung aus dem Krieg. Er wollte seine Heimat vor einem neuen Krieg schützen, und deshalb wurde er ein Linker, ein Demokrat und ein Kommunist.

In den so oft geführten und schon jetzt schwer vermissten Gesprächen mit ihm hat ihn immer seine Kandidatur für den Landtag in Hessen  bewegt und sein Lebensbild  eine wichtige Rolle gespielt.
Er erinnerte sich „Ich war mehrfach Landtagskandidat bei Wahlen in Hessen im Wahlkreis Friedberg/Bad Nauheim. Ich erinnere mich an meinen letzten Wahlkampf 1982. Trotz vielfältiger politischer Aktivitäten lag damals mein Wahlergebnis unter 2 %.“

Seine Verstrickungen in die Geschichte der Linken in Westdeutschland führten ihn im Auftrag der KPD und später DKP zu den neuralgischen Schnittpunkten der linken Geschichte. Er war maßgeblich an der Verteidigung seiner Partei vor dem Bundesverfassungsgericht beteiligt und nahm das schreckliche Urteil des Verbotes  der KPD aufrecht und würdevoll entgegen. „Mein politisches und persönliches Leben wurde entscheidend durch das KPD-Verbot beeinflusst. Zwei Tage vor dem KPD-Verbot am 17.08.1956 erhielt ich mit noch einem Genossen Juristen vom Parteivorstand der KPD den Auftrag, die KPD bei der Urteilsverkündung vor dem Bundesverfassungsgericht zu vertreten. Wir saßen im Gerichtssaal an einem kleinen Tisch, auf dem ein großes Schild stand „KPD“. Die Urteilsverkündung nahmen wir stehend mit unbewegter Miene entgegen. Nach dem Urteil fuhr mich Prof. Kaul nach Berlin/DDR, wo für mich wegen eines Haftbefehls eine zwölfjährige Illegalität begann.

Er war wohl eher ein Spaziergänger der Welten und inszenierte zuweilen hinter den  Kulissen der Westdeutschen Linke mit. Er war ein beneidenswert souveräner und manchmal auch nervtötend egozentrischer Flaneur, und ihm gelang oft das Unmögliche. Karl lebte  ein Vagabundenleben zwischen Ost- Berlin, Essen und Frankfurt am Main.

Bis zu seinem Lebensende waren ihm die politischen Grundsätze von Gudrun Enßlin und Andreas Förster, die er in die RAF Verteidigung mit einem Angebot vertrat, wichtig. Nach der ihm eigenen Debatte und dem heftigen Streit über Lenin, linken Terror und die Kraft der Arbeiterklasse forderte er von den beiden Terroristen, im Namen ihrer Gruppe, der Gewalt öffentlich abzuschwören. Nach dem Studium verließ er 1968, wie so viele nach der Legalisierung einer Linken in Westdeutschland, die DDR. Er fand als Rechtsdozent der Humboldt-Universität im Westen schnell Arbeit. 1971 verlangte die politische Realität nicht nur durch den spezialisierten Anwalt, sondern vor allem den sensiblen Anwalt der Linken , um in  Frankfurt/Main die verschiedensten politischen Prozesse führen zu können. Für ihn waren die Berufsverbotsprozesse gegen Sylvia Gingold und Doris Schwert immer wichtige und berichtenswerte Prozesse, um nur einige zu nennen.

Nach der politischen Zäsur 1989/90 zog er zusammen mit seiner Frau Dr. Werngard Pfannenschwarz, in den Osten, in das Land Brandenburg nach Dolgenbrodt.  Zu seiner größten Passion gehörte die Jagd, der er im Dolgenbrodter Forst nachgehen konnte. Doch nicht ohne auch dort jede Gelegenheit zu nutzen, die politische Debatte und die ebenso wichtige Streitkultur zu pflegen.

Auf seiner Eröffnungsrede für den Parteitag der Linken 2008 fasste er es so zusammen. “Wie völlig anders ist doch die heutige Situation. Nach 1990 wurde ich für fünf Jahre mit großer Stimmenzahl zum Bürgermeister unserer hiesigen Gemeinde Dolgenbrodt gewählt. Bereits dreimal erhielt ich bei den Wahlen zum Kreistag Dahme-Spreewald jeweils höhere Stimmenzahlen. Bei den Wahlen zu unserer Gemeindevertretung Heidesee lag ich sowohl 2003 als auch jetzt 2008 weit an der Spitze.“

Und so geschieht es uns nun mit ihm. Dass er nicht mehr da ist, nie wieder nach politisch Interessantem fragen wird, nie wieder seinen Schriftsatz zur Verteidigung eines Klienten formulieren wird, nie wieder poltert oder lobt, nie wieder seine mahnende Stimme erhebt.

Michael Reimann

 

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