
Eine Bilanz von Helmut Scholz (MDEP).
Eines ist heute sicher: Ohne DIE LINKE. im Europäischen Parlament würde der Wider- stand gegen neoliberale Politik der EU fehlen. Unsere Ablehnung des Lissabon-Vertrages war richtig. Zugleich sind neue Entwicklungen eingetreten, die deutlicher als bisher die unterschiedlichen Akteure in der EU-Politik kenntlich machen und damit allen die Möglichkeit geben, sich in die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen um eine soziale, gerechte und demokratische Politik (in) der EU einzubringen.
So hat die Linksfraktion im EU-Parlament wesentlichen Anteil daran, dass ACTA – das Abkommen zur rigiden Durchsetzung von Urheberrechten im Internet – vom Parlament gestoppt wurde.
Solche Veränderungen erfordern konkrete Arbeit in den Ausschüssen. In meinem Fall heißt das, konkrete und aktive Teilnahme in den Ausschüssen für internationalen Han- del, für konstitutionelle Angelegenheiten und im auswärtigen Ausschuss.
Ein zentraler Arbeitsschwerpunkt war die (Mit-)Arbeit an einer Alternative zur Handelsagenda 2020, das Mitwirken im Ringen für eine gerechte Weltwirtschaftsordnung und ein internationales Handelssystem, damit das Wachstum in den entwickelten Staaten nicht länger auf Kosten der Menschen in den Entwicklungsländern und der Umwelt geschieht. Gegenwärtig geht es beispielsweise darum, die vom Rat und von einer Mehrheit des Parlaments gegen afrikanische Staaten betriebene Erpressungspolitik zur völligen Öffnung ih- rer Märkte zu beenden. Ich lehne Abkommen auf Kosten der Menschenrechte und
der Lebenssituation von Bevölkerungs- mehrheiten strikt ab. Mein mit großer Mehrheit angenommener Bericht für die Entwicklung der Handelsbeziehungen mit Lateinamerika setzte gleich zu Beginn der Legislatur hierfür Akzente, auf die dann in vielen nachfolgenden Vereinbarungen Be- zug genommen wurde. So ist meine schar- fe Kritik an den Freihandelsabkommen der EU mit Kolumbien und Peru heute durch- aus mehrheitsfähig, und wir bleiben dran: Das Abkommen muss zeitnah geändert oder zumindest ausgesetzt werden. Das bleibt auch Maßstab für meine Arbeit als ständiger Berichterstatter für die Handelsbeziehungen mit Ecuador und Bolivien.
Im Handelsausschuss arbeite ich zum The-ma der Beziehungen der EU zu China und den USA. Schon heute ist die EU für China der wichtigste Handelspartner. China ist jedoch mehr als eine der bedeutendsten Exportoptionen. Ein gleichberechtigtes und faires Verhältnis zur VR China bleibt eine zentrale Herausforderung europäischer Politik.
Ich kritisiere die Verhandlungen der EU mit den USA über die sogenannte Trans- atlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP), die weit über tradi- tionelle Vereinbarungen kommerzieller Zusammenarbeit hinausgehen und Vor- aussetzungen für einen gemeinsamen Wirtschaftsraum schaffen soll. Ich habe Forderungen formuliert, die für die Ge- spräche »rote Linien« definieren. Die Ausklammerung der in Europa öffentlich geförderten Bereiche Kultur und audio- visuelle Medien aus dem Verhandlungs mandat ist ein Teilerfolg für die Kritik am sogenannten TTIP. Es wird harte Arbeit, zu verhindern, dass Rat und Kommission über die Köpfe der Menschen hinweg ent- scheiden. Jedes Abkommen muss sich da- ran messen lassen, ob es den Interessen der Bevölkerungen dient und zu sozialem und ökologischem Fortschritt und zu de- mokratischer Einbindung der betroffenen Gesellschaften führt. Bleibt die Kommis- sion bei ihrer erklärten Absicht von Dere- gulierung im Interesse von Wachstum und Konzernprofiten, so wird diese weitere europäische Errungenschaften zerstören. Dagegen will ich auch in der kommenden Legislatur kämpfen.
Im Ausschuss für konstitutionelle Fragen geht es um die derzeitige Krise der demo- kratischen Legitimierung der EU. Ein »Weiterso« auf der Basis der beste- henden Verträge unter der weitgehenden Ausklammerung der Interessen der BürgerInnen stellen das europäische Projekt insgesamt infrage. Eine grundsätzliche Veränderung der europäischen Verträge ist mehr als überfällig. Eine solche Reform ist jedoch nicht mit den Mitteln sogenannter Regierungskonferenzen zu erreichen, bei denen die Vertreter der Staaten hinter ver- schlossenen Türen Entscheidungen treffen. Hier müssen neue Wege und Instrumentarien entwickelt werden, die politische Akteure aller Ebenen und auch die breite Zivilgesellschaft einbeziehen. Ein erster Schritt in Richtung einer solchen Bürgermitsprache ist die Europäische Bürgerinitiative.
Ihr Helmut Scholz