Heute 1938- Wolfgang Duncker ein Aufrechter

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Familie Duncker - Stuttgart – Berlin – Basel – Paris – Moskau – Lopydino – Schwerin – Basel

»Wolfgang ist so glücklich wie nie.« Dies schreibt im Jahr 1936 seine Frau Erika aus Moskau an ihre Schwiegereltern. Die Eltern Wolfgangs, Hermann und Kate Duncker, sind weithin bekannte Mitglieder der KPD: Hermann Duncker als begnadeter Redner, der seit Ende des 19. Jahrhunderts erst für die SPD, dann für die KPD als Wanderlehrer durch die Lande gereist ist, und Kate Duncker als jemand, die sich für die Interessen der Frau in der kommunistischen Bewegung stark gemacht hat. Ihr jüngster Sohn Wolfgang, 1909 in Stuttgart geboren, ist von den drei Kindern derjenige, der mit den Anschauungen der Eltern am meisten übereinstimmt. Starker noch ist aber seine künstlerische Ader: Er fabuliert Geschichten, liest viel, hat Interesse für Theater und vor allem für das neue Medium Film. Nach dem Abitur 1929 wird er bei der linksgerichteten Zeitung »Berlin am Morgen« Filmkritiker.

Bei einem Aufenthalt in der Schweiz 1931 lernt Wolfgang Erika Weiss kennen. Sie heiratet ihn trotz starker Bedenken ihrer bürgerlich-konservativen Familie. Nach dem Reichstagsbrand im Februar 1933 wird die Zeitung verboten. Wolfgang sucht Arbeit und eine neue Bleibe, erst in Basel bei seinen Schwiegereltern – dort können sie nicht bleiben, dann in Paris – dort finden sie keine Arbeit, dann wieder in der Schweiz bei dem Bruder Erikas – dort werden sie von der Schweizer Bundespolizei ausgewiesen.

Wolfgang schreibt Filmszenarien, aber kein Studio nimmt etwas an. In dieser verzweifelten Lage scheint die UdSSR die Lösung zu sein. Im August 1935 reist er mit Intourist nach Moskau und wird dort gleich als Regieassistent bei der Produktionsfirma »Meschrabpom-Film« eingestellt.

Gustav von Wangenheim dreht mit einem Stab deutscher Emigranten den antifaschistischen Film »Kämpfer«. Nach Auflösung der Firma ein Jahr später wird Wolfgang von »Mosfilm« als Schnittassistent übernommen und ist endlich glücklich da angekommen, wo es ihn seit seiner Jugend hinzog, beim Film. Erika arbeitet in der Verlagsgenossenschaft Ausländischer Arbeiter. Im Juli 1937 wird ihr Sohn Boris geboren.

Am 22. Marz 1938, Sohn Boris ist gerade neun Monate alt, wird das deutsche KPD-Mitglied, der sowjetische Staatsbürger Wolfgang Duncker im Rahmen der sogenannten »Polnischen Aktion« verhaftet. Nach zwei kurzen Verhören, in denen er wider besseres Wissen seine angebliche Spionagetätigkeit gesteht – man droht ihm mit der Verhaftung seiner Frau –, wird der feingeistige und sensible Wolfgang zu acht Jahren Lagerhaft verurteilt und in die Republik Komi verfrachtet, wo die Lager mit der Eisenbahnstrecke zum Endpunkt Kohlerevier Workuta mitwachsen. Erika besucht ihn 1939 auf abenteuerlichen Wegen im Lager Loktschimlag in der Nähe des Ortes Lopydino. Bei diesem letzten Treffen übergibt Wolfgang ihr ein Zeichen seiner Schöpferkraft und seines Überlebenswillens: ein Kinderbuch für seinen Sohn. Er stirbt 1942 an Entkraftung.

Erika übersiedelt mit Sohn Boris, dessen während des Krieges geborenem Halbbruder Rainer und dem neuen Lebensgefährten Felix Hartmann 1945 erst in die SBZ und kehrt 1947 in die Schweiz zurück. Sie stirbt im Jahre 2003.

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