
Zu Weihnachten fiel mir bisher immer die alte Bauernweisheit ein:
„Zuviel zerreißt den Sack“.
Dabei wollte ich keinesfalls Knecht Ruprecht ermahnen – im Gegenteil. Ich habe an diese Weisheit immer denken müssen, wenn ich durch die Warenhäuser, die Center, die Weihnachtsmärkte geschlendert und von überall und pausenlos beschallt worden bin – von „Niklaus ist ein guter Mann“ über die süßer klingenden Glocken am Tannenbaum – „ oh wie grün sind deine Blätter“ – bis hin zur stillen, heiligen Nacht, in der wir unbedingt froh und munter sein sollen. Manchmal hat´s ganz schön genervt, wenn sich alle Schlagerleute, Chöre und „Orschester“ später auch die Rocker bemüßigt gefühlt haben, etwas Weihnachtliches einzusingen und einzuspielen. Aber eins ist immer passiert: Irgendwann habe ich mitgesungen, und die rezeptfreie Verordnung zur Vorfreude hat gewirkt.
In diesem Jahr stellte sich, wo ich auch hinsah und –hörte, keine Vorfreude ein. Deshalb bin ich über alle Weihnachtsmärkte gerannt. In der Berliner Mitte –vom Gendarmenmarkt zum Opernpalais übers Rote Rathaus zum Alexanderplatz und zur Jannowitzbrücke – nirgends habe ich auch nur ein weihnachtliches Tönchen vernommen. Nicht mal die bunten Karussells oder die duftenden Glühweinbuden ließen das Kommen einer WHITE CHRISTMAS erahnen.
Also dachte ich, daß ja die großen Einkaufszentren schon aus Kundenwerbung ihre Gänge zu Vorfreude-Hallen machen werden. Da hatte ich voriges Jahr noch in glückliche, strahlende Kinderaugen sehen können, wenn irgendwann der Weihnachtsmann durchs Center getobt ist, Werbe-Geschenke verteilt hat und auch immer seine Musik aus allen Lautsprechern hat klingen lassen – und rundum alle aufgefordert hat, lauthals mitzusingen. Viele haben auch so einfach vor sich hingesungen, wenn´s an der Kasse mal etwas länger gedauert hat, und das große gemeinschaftliche Nebenbeihören hat Fans gemacht.
Irgendwann hatte ich dann auch die Erkenntnis, daß die musikalische Weihnachtsanmache ein deutsches Kulturgut ist – und fand´s gut.
In diesem Jahr bin ich aber sicher nicht der Einzige, der zu wirklich tätiger Gewalt aufruft. Nachdem ich viele Schausteller, Händler und Centermanager befragt habe, warum sie alle diese dem ästhetischen Genuss Vieler und dem höheren Verkaufserlös dienende Dienstleistung quasi verdammt haben, weiß ich nun, wer „dahinter steckt“: Eine deutsche Institution, die uns um große emotionale Erlebnisse gebracht hat und uns nun auch dieses deutsches Kulturgut stehlen will – die GEMA – die Gesellschaft, die die Aufführungsrechte für Musik überwacht und teilweise irrsinnig verwaltet. Sich das einfach herausnimmt, denn ich kenne einige Urheber von musikalischen Werken, die gar nicht mit der Art und Weise der GEMA-Arbeit einverstanden sind.
Wenn wir jetzt nicht die Revolution wagen, werden wir bald nicht mal mehr zu Hause oder in Gemeinschaft singen dürfen. Die Barrikaden müssen gestürmt werden, die die GEMA überall auftürmt. Das betrifft auch die rüden Methoden, mit denen Tanzveranstaltungen oder Musikeinspiele bei Events aller Art unterbunden werden – die geforderten Gebühren kann niemand mehr bezahlen; denn auch keiner der Veranstalter, Manager, Schausteller, Händler will die irrsinnigen Gebühren auf seine Kunden und Gäste abwälzen.
Noch so´n Advent möchte ich z.B. auch nicht im A-10-Center, dem diesjährigen wunderschönen Weihnachtspalast der Region, erleben – es war degradiert zum „stillen Örtchen“.
Wir müssen fordern, daß die GEMA die Gebühren nicht weiter, scheinbar ohne Sinn und Verstand, erhöhen darf – sie sollte sich die o.g. Bauernweisheit hinter die (Musik-)Löffel schreiben: Zuviel zerreißt den Sack. Sonst kommen wir mit der Rute….
Kanter