Eine Revolution des bürgerlichen Konservatismus in Deutschland?

images

Hausgemachte Probleme der Politik führen zu Protestwahlen und politischen Denkzetteln. Wie ein Gespenst sie wieder da, die Diskussion um eine Revolution. Erinnern wir uns: eine Revolution ist immer der Punkt, wo „die da oben“ nicht mehr können, wie bisher und „die da unten“ nicht mehr so weiter wollen, wie bisher! Ich weiß nicht ob die CSU darüber nachgedacht hat? Die obige Situationsbeschreibung erscheint zwar vereinfacht dargestellt, aber immer noch treffend für Zeiten in denen gesellschaftliche Veränderungen mit ihren Auswirkungen anstehen.

Die Unzufriedenheit mit der Politik der etablierten Parteien wächst überall und sie wird auch immer lauter artikuliert. Die Frage bleibt, wer diese Unzufriedenheit wie artikuliert und wer, welche Lösungen anbietet.Wichtig ist, festzustellen, dass der bürgerliche Konservatismus in seinen Spielfarben des Liberalismus, Nationalismus und des Neofaschismus gerade dabei ist, wieder stärker in unsere Gesellschaft einzudringen. Was hat die Linke dem entgegen zu setzen? Die Behauptung der Kanzlerin, Deutschland gehe es gut, stößt auf immer breiteren Widerspruch. Immer mehr Menschen erkennen, dass diese Propaganda nicht ihrer Lebensrealität entspricht. Sie sehen den Zerfall der Gesellschaft entlang sozialer Bruchlinien. Es geht um die großen Themen unserer Zeit. Im Grunde sind es wieder die alten Probleme – die sozialen. Wenn die großen Parteien die massiven Herausforderungen unserer Zeit nicht ansprechen, dann fühlen sich die Menschen nicht mehr durch sie vertreten. Und wenn Menschen schon für das Aussprechen der Existenz dieser Probleme massiv attackiert werden, dann wählen sie einfach Protest. Das lautstärkste Angebot dafür reicht von AFD bis zu Freien Wählern oder noch weiter rechts. Wo bleiben die Angebote für gesellschaftliche Alternativen, die die Menschen ernst nehmen und für die sie sich aktiv engagieren wollen? Wo sind die linken politischen Strukturen und Führungspersönlichkeiten, die linke Alternativen glaubwürdig vertreten, weil sie nicht in der Vergangenheit wiederholt politisch „umgefallen“ sind? Seit den 1990er Jahren haben sich die gesellschaftlichen Gräben zwischen arm und reich immer weiter vertieft und sind breiter geworden. Dazu haben seitdem alle Regierungsparteien, gleich wie sie sich selbst nennen, ihre Beiträge geleistet. Versprochen hatten sie jedes Mal Anderes und nun sind sie erstaunt, dass sie ihre Glaubwürdigkeit verloren haben. Seit fast drei jahrzehnten werden die Menschen regiert mittels vager Hoffnungen und zunehmend mittels Angst. Angst vor dem Zusammenbruch der digitalen Welt zur Jahrtausendwende, Angst vor den tiefgreifenden Veränderungen ihrer Arbeitswelt durch Digitalisierung, Angst vor der Abschaffung des Bargeldes, damit sie wieder wie Sklaven auf die monatliche Zuteilung virtueller Chips warten müssen oder Angst vor Abgasen und Staub. Ein weiteres brisantes Thema ist das Thema der Zuwanderung. Von den großen Parteien und ihren Medien wurde es völlig im Wahlkampf so gut es ging politisch und medial ausgeblendet und damit der AFD überlassen. Alle etablierten Parteien schleichen seit langer Zeit um aktuelle Themen wie Kultur und Kulturgeschichte, um Patriotismus und die Lebensweise unseres Volkes, wie Katzen um den heißen Brei. Kräfte, die den Anspruch erheben, politisch links zu stehen, folgen fremden Theorien eines Geschichts- und Kulturnihilismus, der sie in den Augen vieler, die sie erreichen wollen, als vaterlandslose Gesellen erscheinen lassen. Sie machen sich damit selbst – Ironie der Geschichte – zu „vaterlandslosen Gesellen“. Und um die Zahl 3 voll zu machen – die gegenwärtige Art des Wirtschaftens ist weder ökologisch noch ökonomisch zukunftsfähig. Es sind nicht nur die Heuschrecken aus den USA, die verwüstete Landschaften zurück lassen. Es sind die vereinigten Heuschreckenschwärme des globalen Kapitalismus von Vancouver bis Wladiwostok und von Sydney bis Shanghai. Sie alle lassen kahles und vergiftete Landschaften hinter sich und rauben Menschen ihre angestammte Heimat. Alles im Namen eines behaupteten Fortschritts. Und die Menschen in den Teilen der Welt, aus denen diese Heuschrecken kommen, haben sich in diesen Verhältnissen leidlich eingerichtet – auch sie fürchten Veränderungen, weil sie nicht wissen, wohin Veränderung führen mag. Weniger zu essen und ihre Ansprüche runter zu schrauben, kann nicht die Antwort sein, der sie folgen wollen. Ganz im Gegenteil. Damit sind wir ganz schnell in unserer Region und in unserer Stadt. Wie die Märkische Allgemeine Zeitung bemerkte, war die Stadt Königs Wusterhausen mal eine linke Stadt, zu mindesten bis September 2017. Seit 1990 gaben sich Sozialdemokraten und PDS Politiker die Klinke in die Hand an der Rathausspitze. Die wirtschaftliche Situation der Stadt ist bemerkenswert gut. KW ist eine der wenigen Städte, deren Kommunalpolitiker nicht durch Schuldenberge handlungsunfähig wurden. DAS ist ein sehr wichtiges Ergebnis der bisherigen Arbeit kommunaler Politiker in KW. Bisher wurde eine erfolgreiche Ansiedlungspolitik für Unternehmen betrieben. Die Folge davon ist die geringsten Arbeitslosigkeit seit 1990. Die Kitas funktionieren, die Schulen sind gut bestückt und die Geburtenrate steigt. Dazu kommt die Zuwanderung aus Berlin. Viele der neu Zugewanderten bringen ihre Frustration aus der Großstadt mit in die Kommune. Es wäre aber zu kurz gesprungen, wenn man die Zugewanderten für den Ruf nach Veränderung in KW verantwortlich macht. Die bisher in KW regierenden haben die Stadt immer mehr nur verwaltet, statt sie zu gestalten. Wenn man dabei selbst seine größten Erfolge nicht kommuniziert, die Bürgerinnen und Bürger nicht in die Entwicklung der Stadt einbezieht und vor allem RECHTZEITIG auf neue Anforderungen reagiert, wird einem sehr schnell das Heft des politischen Handelns aus der Hand genommen. Wir kennen doch noch den Spruch, was „das Leben“ für die bereit hält, die zu spät kommen. Zum politischen Bild in KW gehört auch, dass die ehemalige Protestpartei PDS heute als Bürgerpartei Die Linke nicht in der Lage und höchstwahrscheinlich auch nicht willens ist, die Interessen ihrer Wähler konsequent weiter zu vertreten und ihnen Stimme und Einfluss in der Politik zu geben. So oder so trifft die Unzufriedenheit vieler Menschen mit der Politik der sogenannten Etablierten auch die Konservativen. Es ist die Frustration der Menschen mit Parteien im Ganzen, aufgrund deren mangelnder Interessenvertretung ihrer Wähler in unserer Gesellschaft. Durch das Handeln und das Nicht-Handeln der bisher Regierenden schaffen sie die politischen Freiräume für AfD und Freie Wähler mit ihren rückwärtsgewandten Ideen, die ein Deutschland beschwören, das es so gar nicht gab. Diese Leute verbreiten eine irreale heile Welt, die es angeblich in den fünfziger und sechziger Jahren in der Bundesrepublik gab. Ein heiles Trugbild, das vergessen machen soll dass es eine Welt war mit einem völlig obskuren Frauenbild, mit Menschen, die sich nicht scheiden lassen durften, mit Frauen, ohne Zustimmung ihres Mannes nicht arbeiten und keinen Führerschein machen durften. Mit all dem alten Mief gegen den die Jugend in den 1960er Jahren auf die Straße gingen und den sie tatsächlich auslüfteten. Mit einer Wirtschaft, die auf Mensch und Tier und Umwelt keine Rücksicht nahm. Damals hatten viele Menschen, die den gesellschaftlichen Reichtum schufen in der SPD noch eine starke, für den gesellschaftlichen Fortschritt engagierte Kraft an ihrer Seite. Und dann war diese „gute alte Zeit“ auch die des Kalten Krieges, die uns alle in Ost und West mehrfach an den Rand des Untergangs gebracht hat. Es kann nicht Ziel der neuen Konservativen sein, diese Prägung der Bundesrepublik wieder zu beschwören. Die Rechte in der Bundesrepublik hat es immer gegeben. Sie war allerdings bisher extrem rechts, gut als solche erkennbar und einfach kein „modernes“ Auftreten. Und jetzt haben diese extremen Kräfte in dieser Rechten eine Struktur gefunden, in der sie glauben, sich verwirklichen zu können. Bis vor einigen Jahren fing die CDU/CSU das damit verbundene, durchaus bunte Wählerklientel zu einem Teil ein. Das hat sich geändert! Viele Wähler von AfD und Freien Wählern sind – noch – typische Denkzettel-Wähler. Sie muss man zurückgewinnen. Das wird nie geschehen durch bloße Apelle und schon gar nicht, indem sie in irgendwelche ideologischen Ecken gestellt werden. Im Großen wie im Kleinen sind dringend reale Lösungen für die täglichen Herausforderungen vor denen die Menschen stehen, nötig. Wie es so schön in einem alten Lied heißt: „Es macht sie ein Geschwätz nicht satt.“ Und es sind politische Strukturen nötig, die sich in der täglichen politischen Kleinarbeit dafür tatsächlich einsetzen. Glaubwürdigkeit der Politiker und Politikerinnen ist das höchste, vielleicht sogar das einzige Gut, das sie wirklich besitzen. Alles Andere ist ihnen auf Zeit durch ihre Wähler geliehen.

Herzlich Michael Reimann

 

Kommentar verfassen