Wohin führt uns die Arbeitswelt?

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Nach einer Erhebung der EZB fielen in den Jahren 2008 bis Mitte 2013 in Europa ca. 5,5 Millionen Arbeitsplätze weg, vor allem in den Südländern.
Seitdem sind zwar wieder 2,2 Millionen Jobs – man kann wirklich nur wenige davon Arbeitsplätze nennen – hinzugekommen. Der größte Teil davon entfällt nämlich auf Handel und Logistik, Callcenter, Sicherheitsdienste, Gebäudereiniger – also Wirtschaftszweige mit tendenziell eher mäßiger bis miserabler Bezahlung. Die Arbeitsbedingungen sind in diesen Branchen auf den Bedarf der Unternehmen an möglichst billigem und flexiblem (nach Bedarf jederzeit verfügbaren) Personal zugeschnitten.

In der Industrie fallen immer häufiger auch Arbeitsplätze mit höheren Qualifikationsanforderungen weg. Computer und vernetzte Roboter dringen vor und arbeiten präziser, zuverlässiger und billiger als Menschen. Dabei verbessern sie ihre Fähigkeiten nicht nur mechanisch, sondern durch den Einsatz intelligenter Steuerungselektronik sogar so, daß sie sogar anspruchsvolle Arbeitsplätze erobern, für die bisher nur gut ausgebildete Mitarbeiter eingesetzt werden konnten. Es ist jetzt schon klar: Auch die qualifizierten Mitarbeiter müssen damit rechnen, Arbeitslos zu werden. Gebrochene Erwerbsbiografien mit – unter Umständen sogar mehrfach von zeitweiliger Arbeitslosigkeit unterbrochener Beschäftigung – werden auch für qualifizierte Arbeitnehmer künftig üblich sein. Die Prekarisierung der Arbeitswelt schreitet also unausweichlich voran und schafft zusehends soziale Probleme, die künftig verheerende Auswirkungen auf den sozialen Frieden und die innere Sicherheit des Staates haben werden, wenn man sich ihrer nicht unverzüglich und konsequent annimmt. Sie zu verschleiern und das Volk darüber hinwegtäuschen zu wollen, ist infam und birgt für die Zukunft größte Gefahren für den sozialen Frieden und die politische Entwicklung. Das kann dezentral durch auskömmliche Löhne und Gehälter geschehen oder zentral durch die Umverteilung von den Wirtschaftsbetrieben einzuhebender Mittel. In der Praxis der Industrieländer findet beides statt und im Idealfall ergänzt es sich. Die soziale Stabilität eines freiheitlich organisierten Staates hängt davon ab, wie gut – du das heißt auch: wie gerecht – diese Beteiligung aller Bürgerinnen und Bürger am gemeinsam erarbeiteten Volkseinkommen gelingt. In den westlichen Industrieländern und besonders in den USA und in Deutschland ist hinsichtlich der gerechten Beteiligung aller Bürgerinnen und Bürger in den vergangenen zwei bis drei jahrzehnten eine erhebliche Schieflage entstanden. In Deutschland hat dazu maßgeblich die Agendapolitik der SPD-Regierung unter Schröer beigetragen. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse wurden damals begünstigt und die Renten wurden so gekürzt, daß Beschäftigte mit monatlichen Einkommen von bis zu ca. 2.500 Euro am Ende ihres Arbeitslebens nicht mit einer Rente oberhalb des Sozialhilfeniveaus rechnen können. Das ist ein unhaltbarer Zustand, der nur deshalb noch keine politischen Folgen hat, weil die meisten Menschen gar nicht wissen, was auf sie zukommt. Arbeitskräfte sind keine Produktionsmittel wie alle anderen. Auch wenn die Wirtschaftslobby das anders sieht. Die Wirtschaft hat dem Menschen zu dienen und nicht umgekehrt. Politiker, die das im Wege der Gesetzgebung nicht durchsetzen, sollten für verantwortungsbewußte Staatsbürger nicht wählbar sein. Denn sie arbeiten gegen die Interessen des Volkes, verdingen sich als Lobbyisten einer polit-ökonomischen Herrscher- und Ausbeuterklasse. Sie schaden sich und ihren „Herren“ aber auch selbst. Denn wenn sich in gar nicht mehr ferner Zukunft mehr als die Hälfte der Bevölkerung mit prekären Arbeitsverhältnissen abfinden muß – wir nehmen einmal an, sie täten es – dann ist das eines Menschen unwürdig und zeugt bei den Verantwortlichen „Eliten“ nicht nur von beträchtlichen moralischen Mangelerscheinungen, sondern auch von einer ausgeprägten Unfähigkeit, die absehbaren Auswirkungen der Prekarisierung auf das Allgemeinwohl sowie das soziale Klima sowie die wirtschaftliche und politische Stabilität zu erkennen. Eine solche Entwicklung zur Prekarisierung wie sie sich heute schon abzeichnet einfach zu ignorieren, ist schlichtweg dumm und gefährlich. Wenn Deutschland, auch Europa, die kommenden 20, 30 Jahre friedlich überleben soll – und das wird angesichts der sich abzeichnenden welt(finanz)wirtschaftlichen und sozialen Probleme schwierig genug werden – können wir uns keinen desintegrierten Sklavenstaat leisten, in dem ein schnell wachsender Teil der Bevölkerung nicht mehr zu verlieren hat als ihr elendes Dasein. Wenn Deutschland sozial stabil und wirtschaftlich leistungsfähig bleiben soll, dann darf es keine Armut mehr geben.

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