
Merken Sie etwas? Der rechte Mob in Europa festigt sich. Viele haben es erwartet. Doch nun ist klar. Der Rechtsruck in Europa hat sich bestätigt. Noch sind die Ergebnisse nicht so einheitlich für ganz Europa. Die erzkonservativen Parteien in Frankreich, Dänemark und Großbritannien haben jedoch so prägnant zugelegt, dass es einer Katastrophe im nationalen Rahmen nahe kommt. In den angestammten Ländern des Rechtspopulismus, in Österreich, Schweden, Griechenland, Finnland und Ungarn haben sich die Parteien der Rechtsextremen bzw. Neofaschisten so stark etabliert, dass ihre Wahlergebnisse signifikant in die parlamentarische Arbeit der nationalen Regierungen einkalkuliert werden müssen. Schließlich ist in Deutschland mit der AfD, die aus dem Stand auf 7 % kam und so ins Europaparlament einzog, eine weitere Partei von rechtsaußen hoffähig geworden. Auf der anderen Seite der Medaille stehen die unerwarteten Verluste für die Partei für die Freiheit (PVV) unter Geert Wilders in den Niederlanden. Dessen Ergebnisse bleiben neu einzuordnen. Auch Ataka aus Bulgarien, der Vlaams Belang und die Lega Nord gehören zu den Verlierern. Die Ansätze der europäischen rechtsextremen, rechtspopulistischen bzw. faschistischen Parteien sind höchst unterschiedlich. Sie alle eint die Ablehnung gegenüber der Europäischen Union und ihre menschenverachtende Haltung zum Thema Zuwanderung. Ihnen geht es um weniger Europa in ihren Nationen. Ein weniger Europa heißt für diese Parteien und andere europafeindliche Strömungen allerdings auch ein Mehr an Nationalismus. Besonders bemerkenswert ist, dass mit 25,0 Prozent die Front National unter Marine Le Pen zur stärksten Partei bei den Europawahlen in Frankreich geworden ist. Marine Le Pen ist es damit gelungen, die FN als eine Volkspartei der extremen Rechten zu qualifizieren. Zu verdanken haben die Nationalisten dies der taktischen Öffnung ihrer Parteistrategie hin zur bürgerliche Mitte. Trotzdem verfangen die alten Muster! Nationalismus, Antiislamismus, Wohlstandschauvinismus – mit dieser Mischung hat die FN ein Angebot formuliert, das angesichts der ökonomischen Krise in Frankreich und der damit verbundenen Verunsicherung über Frankreichs Rolle in der EU auf großen Widerhall traf. Im Tenor der Globalisierung und dem Misstrauen gegenüber der etablierten politischen Strukturen wird man damit rechnen müssen. Immer wieder fischte Marine Le Pen vor allen Dingen bei den unteren Einkommensschichten. Bei den Erfahrungen der Franzosen mit dem Faschismus sind 43 % der Arbeiter, 38 % der einfachen Angestellten und 37 % der Arbeitslosen ein nicht zu verstehender Wahlerfolg der FN. Die französische rechte Kampagne unterschied sich von der von Geert Wilders in den Niederlanden erheblich. Gleich dem Wolf im Schafspelz verpackten die Franzosen ihre Botschaft als wohlgemeinte Schmeicheleien und erreichten so die bürgerliche Mitte . Selbst vor dem Vereinigten Königreich macht der neue Trend nicht halt. Mit der britischen United Kingdom Independent Party (UKIP) ist es einer weiteren Partei des gemäßigten Rechtspopulismus gelungen, zur stärksten Partei im eigenen Land zu werden. Mit 27,5 Prozent liegt UKIP klar vor Labour (25 %) und den Konservativen (24 %). Mit der Europawahl verschiebt sich in London das konservative Koordinatensystem. Es ist der Sieg des Rechtspopulismus und das Eindringen von „völkischen“ Argumenten in die Reihen der Volksparteien. Die Verunsicherung vieler Briten und die starke Sicht auf den Nukleus des Königsreichs beflügelten die nationalistisch motivierte Ablehnung der EU und das Thema „Masseneinwanderung“. Beide Bereiche haben der UKIP die Mehrheit der britischen Wählerinnen und Wähler zugetrieben. Neuester Trend: Harte Faschisten bauen darauf das Unwesen, das sie in Europa treiben. Während mit dem FN, der Dänischen Volkspartei, der UKIP und der FPÖ Parteien der extremen Rechten erfolgreich waren, die mehr oder weniger auf dem Boden des gegenwärtigen politischen Systems stehen, haben sich in Griechenland und Ungarn Parteien des Neofaschismus weiter etabliert, die sich klar am historischen Vorbild des Faschismus orientieren. Die Goldene Morgenröte kam dabei auf ein Ergebnis von 9,4 Prozent und Jobbik in Ungarn konnte das Ergebnis von 2009 mit 14,7 Prozent bestätigen. Diese beiden Parteien setzen auf die militärische Lösung von nationalen Problemen. Sie schrecken nicht vor Gewalt gegen politisch Andersdenkende zurück. In Ungarn sind die Jobbik-Fanatiker inzwischen erste Oppositionspartei, in Griechenland haben sich die Faschisten der Goldenen Morgenröte weiter stabilisiert. Dazu gehört auch das weitere schleichende Vorgehen der NPD mit ihrer seit Jahren bekannten Ideologie.
Die Frage ist, wieweit sich diese Parteien im europäischen Parlament organisieren können.
Le Pen, Wilders und Strache haben im Vorfeld der Wahl über den Plan einer Fraktion der extremen Rechten sinniert. Dazu benötigen sie 27 Abgeordnete – und die müssen dann auch noch aus mindestens sieben Mitgliedsstaaten sein. Aus gegenwärtiger Sicht dürfte das kein Problem sein. Viel interessanter wird die Bildung dieser Struktur, da sich die unterschiedlichen Interessen der Nationalen, Faschisten und Erzkonservativen nicht immer decken. Mit den Rechtsparteien aus Frankreich, Österreich, Schweden und den Niederlanden, die sich bereits vorab verständigt hatten, sind noch zu wenig Länder in dem Willen zur Bildung einer Fraktion vereint. Ein Zusammengehen dieser Parteien ist somit eher unwahrscheinlich. Besonders deutlich wird dies, wenn man feststellt, dass sich UKIP und auch die DF aus dem Dunstkreis des Rechtspopulismus lösen wollen. So bleibt nur eins, die Aktivierung der Faschisten der Goldenen Morgenröte und Jobbik, ergänzt durch die Lega Nord. Doch das müssen die Akteure der im Wesentlichen aussagearmen Rechtsspektren unterschiedlichster, nationaler Couleurs erst einmal bewerkstelligen. Und was sagt die AfD dazu? Sie hat diesem Ansinnen von vornherein eine Absage erteilt. Trotzdem bleibt mit ihr natürlich zu rechnen! Also ist das Rennen offen. Es bleibt dabei ein Besorgnis erregendes Ergebnis der Rechtextremen – und überdies die Möglichkeit, auch in Form einer Fraktion ins EU-Parlament einzuziehen.
Die Veränderung der Rechtskonservativen in Deutschland
Bemerkenswert ist: Man hat es erwartet – und ist nun doch über den Einzug der AfD mit 7 % ins Europaparlament schockiert. Die Rechtsalternativen werden sieben Abgeordnete nach Brüssel entsenden. Das von Herrn Lucke beschworene Aufblühen einer neuen Volkspartei hat sich als Seifenblase herausgestellt. Die Erkenntnis, dass sie mit diesem Ergebnis in das demokratische System und damit auch in das Parteienspektrum der Bundesrepublik Deutschland eingedrungen sind, zeigt jedoch, dass die Konservativen von CDU/CSU und FDP nicht mehr in der Lage sind, alle liberalen Denkmuster, faschistischen Tendenzen und europagegnerischen Meinungen in sich aufzunehmen. Auch bei dem Zufluss von Stimmen hat sich eine neue Qualität offenbart. So sind diesmahl nicht die Europakritiker von FDP und Linken die Stimmenbringer der AFD. Es ist die Union, die mit 510.000 abgegebenen Stimmen deutlich am stärksten unter der Konkurrenz der AfD zu leiden hat. Es folgen die SPD mit 180.000 und die LINKE mit 110.000 Stimmen. Von der FDP gingen nur 60.000 Stimmen zur AfD. Von Frau Merkel und ihren Parteistrategen von der CDU ist eine Reaktion auf die berechtigte Frage zur Nachjustierung oder Kooperation der neuen Rechtskonservativen in Deutschland zu erwarten. In Sachsen und Sachsen-Anhalt ist eine breite Debatte in der Union über das Für und Wider bereits laut geworden. Mögliche Bündnisse mit der AfD scheinen im Moment möglich. Besonders bedrohlich wird dieses Szenario bei den im Herbst stattfindenden Landtagswahlen. Durch die Schwäche der FDP und das starke Abwandern der CDU ins Zentrum des politischen Koordinatensystem wird der Platz frei für eine populistische Rechte, für Nationalismus und nicht zuletzt für Faschismus. Die bisher weithin eher spaßig geführte Debatte um die Rechten und deren Chancen in der europäischen Parteienlandschaft tritt damit in ein neues Stadium ein.
Ihr Michael Reimann