Im Interview: Harald Koch (Die LINKE)

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Harald Koch im Interview mit Michael Reimann zu dem Thema: EU-Stabilitaetsmechanismus und das NEIN Der Linken.

 

In der letzten Sitzungswoche ist im Bundestag die Abstimmung zum Fiskalpakt und zum Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) gelaufen. Der Bundestagsabgeordnete Harald Koch (DIE LINKE) stellt fest: „Wer weiter für ein demokratisches und soziales Europa kämpft, muss alles versuchen, um den Fiskalpakt zu verhindern!“ Mit ihm sprach Michael Reimann.

Sehr geehrter Herr Koch, in den letzten Tagen haben sie, als LINKE, ihr Nein zum Fiskalpakt auch parlamentarisch bei der Abstimmung zum Ausdruck gebracht (als einzige Fraktion). Ihre Fraktion ist sogar weiter gegangen und hat eine Klage beim Bundesverfassungsgericht eingelegt. Der Bundespräsident zögert noch mit der Ratifizierung. Ist der Fiskalpakts, dem ihre Partei nicht zugestimmt hat, für die Länder und Kommunen in Deutschland nicht eine Chance?

Das Nein der LINKEN zum Fiskalpakt ist richtig! Die sogenannten Entlastungen für Länder und Kommunen sind Nebelkerzen, um die Zustimmung zum Fiskalpakt, d.h., zu Demokratie- und Sozialabbau zu erkaufen.

Die Oppositionsparteien SPD und Grüne haben den Pakt zugestimmt. Warum?

Es gibt zur Finanzmarktregulierung und Wachstumssteigerungen reine Absichtserklärungen der Regierung. SPD und Grüne fielen darauf rein und haben kein Rückgrat. Sie sind nur eine Papiertiger-Opposition. Ich bezeichne das als “Kuhhandel”, auch wenn es Fortschritte bei der Finanztransaktionsteuer gibt. Aber das alleinig ist keine umfassende Finanzmarktregulierung und löst die Finanz- und Staatsfinanzierungskrise nicht. In den Verhandlungen zum Fiskalpakt wurden zugleich Entlastungen für Länder und Kommunen vereinbart. Das ist richtig – so die Eingliederungshilfe für Schwerbehinderte, Kita-Ausbau, Übergang Grundsicherung auf Bund etc. Dennoch wurden die Grundprobleme nicht gelöst!

Ist eine konsequentere Sparpolitik nicht gut für das angeschlagene Schiff Europa?

Das Spardiktat spart Europa kaputt. Die Kürzungspolitik kürzt Demokratie und Arbeiterrechte. Sie verschärft die Krise und führt in die Rezession. Ein weiterer Abbau von Löhnen, Renten und Sozialleistungen begräbt so langsam die europäische Idee. Und da hilft auch keine rosarote Schleife wie der Kita-Ausbau oder die Eingliederungshilfe für Schwerbehinderte. Das sind verpflichtende Aufgaben für den Staat.

Warum wurde das Parlament erst so spät in die Entscheidung zur „Fiskalunion“ einbezogen?

Man wollte verschleiern, auf Zeit spielen und scheinbar vollendete Tatsachen schaffen. Mit dem Fiskalpakt entmachten sich die Parlamente selbst. Sie geben ihr Königsrecht, das Haushaltsrecht, in die Hände kaum demokratisch legitimierter EU-Organe. Nun müssen Defizitstaaten künftig ihre Haushalts- und Wirtschaftspartnerschaftsprogramme der Kommission und dem Rat zur Genehmigung vorlegen. Die Kriterien für den automatischen Korrekturmechanismus des Fiskalvertrags bestimmt allein die Kommission. Die hierzu vorgelegten Grundsätze sind völlig unverständlich und weit gefasst, lagen uns Abgeordneten nicht mal in deutscher Sprache vor. Sie entziehen sich der Nachvollziehbarkeit. Wählerinnen und Wähler können bei den nationalen Wahlen nicht mehr durch ihre Wahlentscheidung Einfluss auf die Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik nehmen. Das ist ein Skandal und ein offenkundiger Verstoß gegen das Demokratieprinzip! Außerdem wird die Haushaltsautonomie des Parlaments durch die unkalkulierbare Höhe der durch den ESM übernommenen finanziellen Belastungen verletzt. Kurzum: Lasten der Finanzkrise werden auf die Bürger abgeschoben. Die ohnehin finanziell klammen Kommunen bluten vollends aus. Den Banken sichert man dagegen zusätzliche Profite. Ich fordere daher, die Profiteure und Verursacher der Krise ausreichend an den Kosten zu beteiligen. Ohne eine drastische Besteuerung hoher Vermögen, hoher Einkommen und von Finanztransaktionen gibt es keinen Weg aus der Krise. Der Staat braucht mehr Einnahmen und eine gerechtere Verteilung von Einkommen und Vermögen.

Also ist der französische Präsident Hollande auf dem richtigen Weg?

Europa braucht nachhaltige Wachstums- und Investitionsprogramme. Die französischen Ideen gehen nicht weit genug! Banken müssen vergesellschaftet und auf ihre Kernfunktionen zurechtgestutzt werden. Finanzmärkte sind streng zu regulieren. Es darf keine grauen Märkte und Schattenbanken geben, die in Steueroasen ihr Unwesen treiben. Die Leistungsbilanzunterschiede müssen dringend eingeebnet werden.

Welchen Vorschlag haben sie, um die kommunalen Finanzen stärker in die europäische Gesamtpolitik einzubetten?

Die Finanzierung der öffentlichen Haushalte muss in der Eurozone über eine öffentliche europäische Bank sichergestellt werden, die zinsgünstige Kredite bei der Europäischen Zentralbank erhält. In Deutschland brauchen wir geeignete Maßnahmen zur Stärkung der Binnennachfrage, u.a. den flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn von 10 € die Stunde oder gute Tarifabschlüsse, Maßnahmen für eine bessere Finanzausstattung der Kommunen und deren Haushalte sowie Maßnahmen für den Abbau von Leistungsbilanzungleichgewichten. Weil eine konservative Mehrheit in Bundestag und Bundesrat den Fiskalpakt und auch den ESM verabschiedet hat, ist es für uns eine klare Sache: DIE LINKE klagt vor dem Bundesverfassungsgericht und hat eine Eilentscheidung beantragt.

Danke Herr Koch

Neuigkeiten aus Strassburg.

Ein Streit, der in den letzten Tagen entschieden wurde, machte bundesweite Schlagzeilen. Eine Berliner Altenpflegerin hat ihren Arbeitgeber wegen Pflegemissständen bei der Staatsanwaltschaft Berlin angezeigt.

Junge Welt schreibt dazu am 26.05.2012 : “Heinisch hatte seit 2002 in einem Altenheim in Berlin-Weißensee gearbeitet. Die Zustände dort müssen unzumutbar gewesen sein: »Eingeschränkte Grundpflege, teilweise nur Teilwaschungen möglich, Nagelpflege und Rasieren kaum möglich, kein Baden und regelmäßiges Duschen der Bewohner, keine psychosoziale Betreuung«, heißt es etwa in einer von acht Beschäftigten unterzeichneten Überlastungsanzeige, und: »keine ausreichende Zeit für die Bewohner, eine für sie angepaßte Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme zu gewähren«. Grund war die schlechte Personalausstattung. Bei einer Überprüfung durch den medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) wurden laut Gerichtsakten »erhebliche Pflegemängel festgestellt«, wie Richter Martin Guth am Donnerstag referierte. Als diese nach einer weiteren Überprüfung 2003 nicht abgestellt waren, drohte der MDK mit der Kündigung des Versorgungsvertrages.” So die Tages Zeitung und weiter…..”Weil interne Beschwerden nicht zu Änderungen führten, entschloß sich Heinisch im Dezember 2004 Strafantrag gegen Vivantes zu stellen. Ihr damaliger Anwalt zeigte den Konzern wegen des Verdachts auf besonders schweren Betrug an: »Den für die Unterbringung (…) aufgebrachten Kosten steht keine auch nur annähernd adäquate Gegenleistung gegenüber«, heiß es in dem Schreiben. Und: »Pflegekräfte werden angehalten, Leistungen zu dokumentieren, die so gar nicht erbracht worden sind«.Was folgte, war die fristlose Kündigung. 2006 entschied das Landesarbeitsgericht Berlin und hielt die Kündigung wie so oft in diesem Gerichtszug für rechtswirksam.
Ganz anders nun der europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Er sah hier vor allen Dingen die Meinungsfreiheit verletzt. Am 24. Mai diesen Jahres haben sich die Parteien geeinigt! Die betroffene Frau Heinisch erhält eine Abfindung in Höhe von 90.000 € und einer ordentliche Kündigung aus betrieblichen Gründen. Natürlich rückwirkend zum 31. März 2005.
Nach sorgfältiger Abwägung stellte der Gerichtshof die Meinungsfreiheit über die Interessen des Arbeitgebers. Die Straßburger Richter stellten damit die Interessen an Informationen über Mängel in einer staatlichen Altenpflegeeinrichtung höher ein, als das Interesse des Arbeitgebers am Schutz seines Rufes.

Die verbesserte Welt?

Im Gegensatz zu den Annahmen von Wolf Biermann gehört die Demokratie und damit das Recht auf Rede und Versammlungsfreiheit unmittelbar zu den Werten moderner Gesellschaften. Auch wenn es das Leben komplizierter macht und vielleicht sogar unbequemer, sind das dir direkten Ausdrücke für einen demokratischen Willensbildungsprozess. Es liegt die Vermutung nahe, dass Demagogen wie Biermann versuchen, dieses Recht einzuschränken. Es existiert allerdings ein kausaler Zusammenhang zwischen Demokratie, Versammlungs- und Redefreiheit. Erinnern wir uns an das Jahr 1964 und bleiben in den USA. Studenten einer Universität haben genau diese Freiheitsrechte motiviert, um für die Bürgerrechte der Schwarzen in Amerikas Südstaaten einzutreten. Sie wendeten sich gegen den heraufziehenden Vietnamkrieg und die Armut in ihrem Land. Das Ergebnis war eine mächtige Bewegung, die die gesamte USA erfasste. Solche grundlegenden Fragen der sozialen Gerechtigkeit stellen sich auch heute. Da es keine bessere Methode der demokratischen Teilhabe gibt, müssen wir die Redefreiheit und Versammlungsfreiheit schützen. Auch wenn junge Menschen heute vor anderen Problemen stehen. Der Zugang zur höheren Bildung wird in den USA immer schwieriger, doch das Erlangen von Wissen ist eine der Grundvoraussetzungen, um soziale Ungerechtigkeiten zu erkennen und sich für ihre Überwindung einzusetzen. Letzten Endes ist die Occupy- Bewegung auch wieder von Studenten in den USA, wie einst1964 initiiert worden. Sie reagierten mit ihrem Handeln, nach gesellschaftlicher Analyse, in dem sie die Probleme beim Namen nannten und auf die Krise aufmerksam machten. Sie machten die Probleme der sozialen Gerechtigkeit zu ihrer Sache. Sie erzielten eine gewaltige Wirkung in den USA. Es steht, wie nie zuvor, die Diskussion um die politische Macht des Geldes und die damit verbundene Einkommensverteilung auf der Tagesordnung.

Der mitschwingende Antisemitismus:

eindeutig muss man feststellen, dass die Finanzjongleure der globalen Aktienmärkte und die Spekulanten, die im Tross des Geldwahnsinns folgen, nicht allein für die weltwirtschaftliche Krisensituation verantwortlich sind. Zu schnell werden wieder Juden ausgemacht, die angeblich Verantwortung für die Weltfinanzen tragen. Doch dies ist mir viel zu kurz gedacht. Verantwortlich ist die Überproduktionskrise und die Nationalökonomien. Jede einzelne! Ob im Osten oder Westen, Süden oder Norden. Dass es da Glücksritter gibt, die versuchen, mit mehr oder weniger Erfolg, zu spekulieren, liegt an den unterschiedlichen Währungssystemen und Geldmarktinstrumenten. Sie allein verantwortlich zu machen für die weltwirtschaftliche Situation, ist unreal. Geld, dass seit Jahrtausenden als Zahlungsmittel in der Welt existiert, ist nur ein Ausdruck für die in ihm steckende Arbeit. Es ist die Zeit, die der Mensch aufwendet, um durch Arbeit sein Leben zu bestreiten. Und kein Fetisch. Also sind die Unternehmen, ob privat oder staatlich, für die weltwirtschaftlichen zyklischen Krisen verantwortlich. Es ist also die Aneignung der Wertschöpfung und die nicht adäquate Entlohnung der Zeit verantwortlich.

Ihr Michael Reimann

MAZ vom 31.05. 2012

„Die Unterschiede sind zu groß“
Michael Reimann über die Gräben zwischen Ost und West in der Linkspartei und die drohende Spaltung
Mit dem früheren Kreis-Chef der Linkspartei, Michael Reimann, sprach Frank Pawlowski.
MAZ: Vor fast genau einem Jahr sorgten Sie mit Ihrem Vorschlag zur Trennung in eine Ost- und eine Westpartei der Linken für großen Wirbel. Sie wurden verspottet und angefeindet, nun steht die Frage tatsächlich auf der Tagesordnung. Hatten Sie recht?

Michael Reimann: Die Entwicklung war damals absehbar. Ich habe gemeinsam mit anderen Genossen meiner Partei die Situation analysiert und kam zu dem Schluss, dass die Linke im Osten und im Westen eigenständige Organisationen bilden müssen. Die Unterschiede sind einfach zu groß.

Was unterscheidet die Linke im Osten und im Westen?

Reimann: In der Kommunismusdebatte und in der Debatte um den Fidel-Castro-Brief der Parteiführung wurden die regionalen Besonderheiten deutlich. Es gab völlig unterschiedliche Bewertungen. Die Genossen im Westen sind auf einem Klassenkampf-Kurs, anders als wir im Osten. Entscheidend aber ist, dass die Linken im Westen zu wenig vom Osten wissen, und die im Osten nichts über den Westen. De facto haben wir die Trennung doch schon.

Es passt nicht zusammen, was eigentlich zusammengehört?

Reimann: In dieser Form jedenfalls nicht. Die emotionalen Auseinandersetzungen haben die Partei geschwächt. Hinzu kommt, dass wir vor allem im Westen viele Mitglieder verlieren. Dabei haben wir im Bund und in den Ländern fundierte Antworten in allen Politikfragen, aber die werden nicht wahrgenommen. Wir schlagen uns selbst.

Die Linke wird durch eine Spaltung nicht geschwächt?

Reimann: Nach meiner Ansicht hat die organisatorische Trennung nichts mit Spaltung zu tun, sondern eher damit, dass wir unsere Kräfte bündeln – im Osten und im Westen. Es gibt mehrere Beispiele in der Parteienlandschaft, wo das geklappt hat, wie bei der CDU und der CSU, oder bei den Grünen und der Alternativen Liste.

Wie sollen die beiden linken Parteien denn heißen?

Reimann: Ich weiß gar nicht, ob es notwendig ist, sie unterschiedlich zu nennen. Es kann unter dem Dach der Partei verschiedene Strukturen geben. Vielleicht findet sich auch eine andere Lösung. Mein Vorschlag zur Trennung ist nur ein möglicher Weg.

Werden auf dem Bundesparteitag am kommenden Wochenende in Göttingen die Weichen für die Spaltung der Linken gestellt?

Reimann: Wenn es wie beim letzten Parteitag in Rostock abläuft, wird das so sein. Die demokratischen Spielregeln in der Partei funktionieren nicht. In Göttingen müssen sie wieder hergestellt werden. Den Delegierten darf nicht wieder eine Parteispitze vorgesetzt werden, die sie nur noch abzunicken haben. Es darf kein Diktat mehr geben wie damals von Gregor Gysi. Das war ein schwerer Fehler und die Ursache für den aktuellen Führungsstreit.

Wer ist Ihr Favorit?

Reimann: Wahrscheinlich hätte Dietmar Bartsch meine Stimme. Nicht, weil er ein Ossi ist, sondern weil er sich stellt und weil er als ehemaliger Geschäftsführer der Linken viele Erfolge vorzuweisen hat. Personen an der Parteispitze, die Wahlen verloren haben, kann ich mir nicht vorstellen. Aber egal, wer die neue Doppelspitze wird: Wichtig ist, dass die Entscheidung auf dem Parteitag fällt und nicht im Vorfeld.

BER und die Kommunikationsfalle!

politik

Wie heute, durch die Staatskanzlei in Potsdam bestätigt, wird die Eröffnung des Flughafens (BER Willy Brandt) in Schönefeld zum 3. Mal verschoben.

Grund: die Schutzziele wurden nicht erreicht.

Landrat Stefan Loge, Dahme Spreewald (SPD) machte vor einigen Tagen Schlagzeilen mit der Bemerkung, dass der Flughafen in Schönefeld, besser gesagt seine Eröffnung sich verzögern wird. Grund dafür, ist die noch nicht ausreichend geklärte brandtechnische Sicherstellung des neuen Flughafens. Hätte man doch auf Loge SPD gehört, könnte man sagen.
Denn er hat Prompt von Ministerpräsident Matthias Platzeck, ebenfalls SPD, Kritik für seinen vermeintlichen Vorstoß erhalten. Nun hat sich damit die Staatskanzlei beschäftigt. Auf einer gemeinsamen Kabinettssitzung wurde dann die Entscheidung gefällt. Wichtig bleibt festzustellen, dass der Landkreis bei der Gefahrenabwehr auch auf dem Flughafen mit seinen brandschutztechnischen und vor allen Dingen personeller Ausstattung an Grenzen stößt. Kurzerhand sagten, der regierende Bürgermeister und der Ministerpräsident die Eröffnungsfeier ab. Und damit ist der zu teure Flughafen, rund 1 Milliarde teurer als geplant, nun wieder in den Schlagzeilen. Nach diversen Pannen ist das die Fortsetzung einer hausgemachten Kommunikationsfalle.